Renommierte Gitarristen

Welchen Rang nimmt Stefan Sell als Gitarrist wirklich ein?

Monatliche Hörer bei Spotify mit Streamingzahlen einzelner Stücke. Screenshot vom 01.06.2022.
Er gilt, so jedenfalls zitiert es Stefan Sell selbst, als "einer der renommiertesten Gitarristen der Szene". Die Quelle dazu habe ich nicht gefunden. Er schreibt lediglich selbst "die Presse nennt ihn einen der renommiertesten Gitarristen der Szene"
Bei meiner Recherche kamen Zweifel auf.
13 Hörer auf Spotify und viele Tracks mit einem Streaming <1.000, obwohl Stefan Sell bereits sehr früh angefangen hat, sich als Gitarrist zu etablieren? Auf der Liste "renommierter Gitarristen", die der Schott-Verlag präsentiert, ist Stefan Sell nicht aufgeführt. Stefan Sell hat allerdings bei diesem Verlag veröffentlicht.
QUELLE: (Stand 01.06.2022 / 15:16 Uhr) https://de.schott-music.com/lern-gitarre/heute/szene
Monatliche Hörer bei Spotify mit Streamingzahlen einzelner Stücke. Screenshot vom 01.06.2022.
Das sagt der Schott Verlag: Peter Finger genießt bereits seit den Siebzigerjahren weltweit einen herausragenden Ruf als Akustikgitarrist. Unzählige gefeierte Tourneen u.a. durch Europa, USA und Japan führten den Musiker rund um die Welt. Zudem macht Finger auch als Labelchef, Verleger und Komponist von sich reden und gewann bereits mehrere erste Preise bei Kompositionswettbewerben.
QUELLE: (Stand 01.06.2022 / 15:16 Uhr) https://de.schott-music.com/lern-gitarre/heute/szene
Monatliche Hörer bei Spotify mit Streamingzahlen einzelner Stücke. Screenshot vom 01.06.2022.
Das sagt der Schott-Verlag: Heike Matthiesen wurde in Braunschweig geboren und zählt zu den führenden deutschen Gitarristen. Erst mit Achtzehn entdeckte sie das Gitarrespiel für sich, bereits ein Jahr später nahm sie ihr Studium an der Musikhochschule Frankfurt auf. Prägend wurde für sie Pepe Romero, der sie über mehrere Jahre als Meisterschülerin unterrichtete. Zusätzlich besuchte sie zahlreiche Meisterkurse u.a. bei Manuel Barrueco, David Russel, Roland Dyens, Alvaro Pierri und Leo Brouwer. Heike Matthiesen konzertierte bereits in zahlreichen Ländern, darunter in den USA, Japan, China, Frankreich, Spanien, Italien, Polen, Island, Österreich, Dänemark sowie Bulgarien, und ist ein gern gesehener Gast auf Festivals. Neben ihrer solistischen Tätigkeit tritt sie auch als Kammermusikpartnerin in Erscheinung.
QUELLE: (Stand 01.06.2022 / 15:16 Uhr) https://de.schott-music.com/lern-gitarre/heute/szene

Versuch einer Definition: Renommierte Gitarristen

Zuerst einmal sollten wir der Definition auf den Grund gehen. Was bedeutet renommiert?

Was bedeutet der Superlativ in Bezug auf Stefan Sell, der selbst über sich schreibt, „Stefan Sell gilt als einer der renommiertesten Gitarristen der Szene“? 

Lässt es sich bei unseren Recherchen nachvollziehen?

Wer ist „die Presse“, die Stefan Sell hier teilweise ohne genaue Quellenangabe zitiert und ihn möglicherweise so betitelt?

Hintergründe

Es gab wohl einmal eine Konzertreihe mit dem Titel „Via Musica“ von der Deutschen Kammerakademie (Kammerorchester mit Sitz in Neuss am Rhein) bei der Stefan Sell aufgetreten ist. Vielleicht gab es dort eine Konzertankündigung, in der Stefan Sell vollmundig als einer der renommiertesten Gitarristen der Szene genannt wurde. Ich habe weder eine solche Ankündigung gefunden, noch ließ sich daher der Autor dieses Textes ausmachen. Frage ist auch, ob diese Ankündigung wiederum aus der Feder des Künstlers selbst stammt.

Definition

Gemäß Definition aus dem Duden bedeutet renommiert:

Einen guten Ruf habend, hohes Ansehen genießend; angesehen, geschätzt.

Renommierte Gitarristen

Schaut man auf die Listung im Internet bei der Recherche nach „renommierte Gitarristen“ oder „Gitarristen“ bzw. „die besten Gitarristen der Welt“ oder „Gitarristen Deutschland“ stößt man leider noch nicht auf Stefan Sell.

Die eigene Homepage des Künstlers mit nur einer kleinen Startseite ohne weiteren Inhalt deklariert seit Anfang 2020 „Hier entsteht gerade etwas Neues“. Das wirkt für Interessenten zuerst einmal nicht nach der Homepage einer der „renommiertesten Gitarristen der Szene“ und ich selbst finde auch nach längerer Recherche keinen stichhaltigen Nachweis und auch wenig Hinweise, dass „die Presse“ diese Auffassung teilt. 

Eher scheint mir, dass Pressetexte dieser Art vom Künstler selbst eingereicht wurden. Als Marketingspezialist würde ich meinen Kunden empfehlen, so etwas, ohne einen Quellennachweis beizufügen, nicht selbst schreiben. Das sollen eher andere entscheiden.

Ich kann als Künstler dennoch beschreiben, was mich besonders macht.

Stefan Sell beschreibt sich selbst allerdings in vielen fast gleichlautenden Texten als einen der renommiertesten Gitarristen der Szene. Er schreibt dabei relativ nebulös, dass die Presse ihn so nennt. Genauere Angaben, welche Presse ihn so nennt, gibt es nicht. Recherchiert man im Internet über Stefan Sell erschließt sich sehr schnell, dass die Pressetexte, Beschreibungen und Konzertankündigungen sich in vielen Punkten stereotyp gleichen. Es wirkt so, als seien stets gleichartige Pressetexte als Pressemeldungen vom Künstler selbst eingereicht worden.

Hier wird außerdem ein Superlativ genannt, der keine weitere Steigerung ermöglicht. Für Zuschauer scheint Stefan Sell bereits ganz oben auf dem Podest der besten Gitarristen der Welt zu stehen. Der Begriff "PopTitan" zeigt beispielsweise dennoch eine Möglichkeit, ist aber, wie wir wissen, bereits prominent belegt.

Lässt sich die Deklarierung als "einer der renommiertesten Gitarristen der Szene", was bereits sogar Internationalität anmuten lässt, halten, insbesondere wenn man selbst als musikinteressierter Zuhörer vielleicht schon sehr viele andere Gitarristen gehört hat?

Ich persönlich will mir hier kein Urteil erlauben. Ich kann lediglich sagen, dass es aus Marketinggesichtspunkten eher von Vorteil ist, wenn man sich selbst sachlicher beschreibt, die Erwartungen nicht zu hochschraubt und etwas bescheidener auftritt.

Nur dann entstehen keine Enttäuschungen und Zuhörern bzw. Konzertbesuchern werden berührende Komplimente ermöglicht.

Wenn der Künstler in der Selbstdarstellung bereits signalisiert, dass er ein Genie ist, bleibt nur noch die Bewunderung „des kleinen Mannes“.

Ich finde mein Bruder spielt wirklich besonders Gitarre und er hat einen unverkennbaren sehr speziellen eigenen Stil entwickelt, den ich natürlich sofort erkenne und heraushören kann.

Musik aber ist und bleibt Geschmacksache. Einen Superlativ auf sich selbst anzuwenden, finde ich hier eher unnötig überhöhend, insbesondere, wenn sich im Internet diese Genialität nicht bestätigen lässt.

Die meisten Texte greifen das eingereichte Material der eigenen Pressetexte auf. Da fehlt dann eher die echte Beschäftigung mit der Person und der Leistung des Künstlers, zudem klingt alles sehr eintönig.

Was meint der SCHOTT-Verlag?

Selbst der Schott Verlag, bei dem auch Stefan Sell publiziert, listet ihn in einem Artikel mit der Überschrift "Stars der Szene" zu genau diesem Thema nicht. Insbesondere nicht mit dem Superlativ „renommiertester…“. Müsste er genau deshalb nicht ganz oben gelistet sein?

Ich fand den folgenden Artikel auf der Homepage des Schott-Verlages und eine Liste renommierter Gitarristen:

Stars der Szene

[...] Mehr denn je fungiert der Interpret im heutigen Musikleben als Star – unserer Tage auch gerne gleich als „Superstar“. Dabei war der ausführende Künstler vor Anbruch des 20. Jahrhunderts in der Regel lediglich „Diener“ des Komponisten. Erst mit Beginn der Klangaufzeichnung und der zunehmend komfortableren Reisebedingungen erhielten Interpreten die Möglichkeit, sich auch weit über die Grenzen ihrer Heimatregion einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Heutzutage sind es oftmals nicht mehr die Kompositionen, sondern die Virtuosen, die das Publikum in die Konzertsäle locken. So findet sich auch eine schier unüberschaubare Zahl renommierter Gitarristen, die fest im internationalen Konzertleben etabliert sind, große Erfolge als Solisten feiern konnten bzw. können und/oder sich als Pädagogen ihres Fachs einen besonderen Namen gemacht haben.

Die hier zusammengestellte Auswahl der Künstler, die sich – abgesehen von der Erwähnung einiger renommierter Gitarrengrößen des 20. Jahrhunderts – größtenteils auf die aktuelle Gitarrenszene konzentriert, will deshalb auch nicht nur annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. [...]

QUELLE: (Stand 01.06.2022 / 15:34 Uhr) https://de.schott-music.com/lern-gitarre/heute/szene

ÜBER STEFAN SELL

Folgende VITA hat der Künstler selbst dem SCHOTT-VERLAG zur Verfügung gestellt:

Quelle: https://www.schott-music.com/de/person/stefan-sell (12.06.2023)

[...] Stefan Sell wurde 1959 im Rheinland geboren. Seine klassische Gitarrenausbildung erhielt er u.a. bei dem Kreidler-Schüler und Komponisten Hennes Holz. Über ihn kam er zur Neuen Musik, lernte Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn kennen und fand bei Pierre Schaeffer und John Cage seinen Kompositionsansatz.

Seine Arbeit an „Habusake im Sternensand von Taketomi“ dauerte fast ein Jahrzehnt. 1990 bekam er den Komponistenpreis der CPF Waterville/USA als Stipendium für „¡Ah! Don Quixote“. Mit der Formation „fuegos de la miel“ gelangte dieses Flamenco-Theaterstück 1992 zur olimpíada cultural nach Barcelona.

In den 90er Jahren war er Chefredakteur des Kulturmagazins „foglio“ und wurde mit dem Preis des 1. Kölner Open-Mike-Wettbewerbs ausgezeichnet.

Seit 2003 widmet Stefan Sell sich ganz der Konzertgitarre. Seine Erfahrungen aus den grenzüberschreitenden Arbeiten führen zu einer eigenen Stilistik, die er „extravaganzas for guitar“ nennt.

Er ist an diversen Rundfunkproduktionen (WDR, DLF, BR) beteiligt und übernimmt im Bereich Musikpädagogik seit vielen Jahren Lehrtätigkeiten und Projektleitungen. Zahlreiche Konzertauftritte, Kompositionen und CD-Veröffentlichungen für Gitarre solo zählen zu seinen vielseitigen Aktivitäten.

Weitere Informationen über Stefan Sell und seine Arbeit finden Sie auf seiner Website www.stefansell.com. [...]

Die Homepage ( übrigens von mir sehr schön gestaltet und leider bis heute von Stefan Sell unbezahlt ) ist seit Anfang 2020 offline. Nur eine neue Startseite bekundet seither: [...] Hier entsteht gerade etwas neues ...[...]

"Gerade" scheint hier ein sehr dehnbarer Begriff zu sein.